Seit sieben Jahren ist Lukas Kilcher (57) Chef vom Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung. Einiges hat sich in dieser Zeit getan und dies ist erst der Anfang.
 

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Nichts deutete im Frühjahr 2013 auf eine berufliche Veränderung hin. Herr Kilcher war zu diesem Zeitpunkt bereits 20 Jahre am Forschungsinstitut für biologischen Landbau tätig. Als Mitglied der Geschäftsleitung war der ETH-Agraringenieur auf der ganzen Welt unterwegs und seine Projekte in der Entwicklungszusammenarbeit waren international. Da kam der Anruf vom Headhunter für den vierfachen Familienvater, der kurz vor seinem fünfzigsten Geburtstag stand, zwar überraschend, aber dennoch zu einem guten Zeitpunkt. Das Angebot, der Chef vom dazumal Landwirtschaftlichen Zentrum Ebenrain zu werden, interessierte ihn sofort und klang nach einer ganz besonderen Herausforderung. Den Vertrag unterzeichnete Lukas Kilcher - sozusagen als Geburtstagsgeschenk an sich selbst - kurz vor seinem runden Geburtstag und startete am 1. November 2013 seine neue Aufgabe. Die sperrige Abkürzung LZE war schnell geändert und so nennt es sich heute Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung. Aber nicht nur der Name hat sich geändert.

 



Regierungsrat Thomas Weber
Vorsteher der Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion BL
und damit auch für das Ebenrain zuständig

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"Das Ebenrain schafft mit neuen Ideen, Strategien und auch einer selbstbewussten Öffentlichkeitsarbeit Zukunftsperspektiven für die produzierende Landwirtschaft - dies nicht zuletzt auch dank einer nachhaltigen Stellenbesetzung mit Lukas Kilcher, der die letzten sieben Jahre zahlreiche Veränderungen herbeiführte und auch für die kommenden Jahre u.a. mit dem Förderprogramm für die Baselbieter Spezialkulturen oder der Umsetzung des Regionalentwicklungsprojektes nachhaltig wirken wird."
 



Lukas Kilcher war schnell klar, was Pflicht ist und wo die Kür beginnt. Zur Pflicht gehörte die Umsetzung der Agrarpolitik des Bundes, die Führung der Landwirtschaftlichen Schule und die ganzen amtlichen und hoheitlichen Aufgaben. Dazu zählten die kantonale Koordination der Direktzahlungen oder der Auftrag für Strukturverbesserungsmassnahmen. Das Herz von Lukas Kilcher schlägt für all diese Bildungs- und Hoheitsaufgaben. Ganz besonders liegt ihm aber die Kür, dort entfaltet sich seine kreative Gestaltungskraft am stärksten. Gemeinsam mit seinem Team lotete er Handlungsspielräume aus und suchte nach Möglichkeiten, die Abhängigkeit der Landwirte von den Direktzahlungen zu reduzieren, indem der Anteil an der Wertschöpfung am Markt ausgebaut wird. So hat Lukas Kilcher ein Förderprogramm für die Baselbieter Spezialkulturen lanciert - ein Programm, welches auf den Stärken aufbaut - ebenso wie das Projekt zur regionalen Entwicklung "Genuss aus Stadt und Land". Das sind nur zwei konkrete Resultate seiner ersten sieben Ebenrain-Jahre. Dabei versteht sich Lukas Kilcher immer wieder als Brückenbauer, so wie dies schon sein Verständnis in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit war. In seinen Augen muss man Menschen in ihrer Selbstwirksamkeit unterstützen und sie zusammenbringen. Genauso verhält es sich mit vielen Themen, welche er nicht isoliert, sondern systemisch angeht. Zum Beispiel nicht Natur ODER landwirtschaftliche Produktion, sondern Natur UND landwirtschaftliche Produktion, nicht Stadt GEGEN Land, sondern Stadt MIT Land.

Es war nur ein logischer Schritt, dass die Abteilung Natur und Landschaft Anfang 2015 von der Bau- und Umweltdirektion zur Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion wechselte und in das Ebenrain-Zentrum integriert wurde. Bauern arbeiten MIT der Natur und daher ist für Lukas Kilcher diese Abteilung beim Ebenrain am richtigen Ort. Unter das Ebenrain-Dach gehört seit 2018 auch das Schloss Ebenrain. Auch dieses wurde ins Ebenrain-Zentrum integriert, womit Herr Kilcher auch noch zum «Schlossherr» wurde. Auf Titel oder gar Lorbeeren ausruhen ist aber nicht sein Ding. Zu viel steht noch an, was es anzupacken gilt, wie zuallererst die Umsetzung des Regionalentwicklungsprojektes. Aber auch der Klimawandel beschäftigt Lukas Kilcher sehr. Steigende Temperaturen und zunehmende Trockenheit im Baselbiet stellen gerade für Spezialkulturen ein Problem dar. Deshalb hat Lukas Kilcher mit seinem Team ein Projekt zur Verbesserung der Wasserspeicherfähigkeit der Landwirtschaftsböden lanciert, welches gerade startet.  Auch im sparsamen Wassermanagement gilt es in unserer Region viel zu lernen und zu investieren. Not muss erfinderisch machen, ist Lukas Kilcher überzeugt. Hier muss und will er mit dem Ebenrain eine Vorreiterrolle einnehmen. Auch der permanente Landverlust bereitet ihm Sorgen. So fordert er: «Bei uns und auf der ganzen Welt leben immer mehr Menschen, mit steigenden Ansprüchen an Wohlstand und Mobilität. Auf immer weniger Agrarland müssen immer weniger Bauern immer mehr Menschen ernähren. Deshalb braucht es mehr Wertschätzung für die Landwirtschaft, für die Natur und für unsere Ernährungsgrundlage.» Die Landwirtschaft und Gesellschaft müssen in seinen Augen viel stärker miteinander und nicht gegeneinander gehen. Einmal mehr: Lukas Kilcher - der Brückenbauer.

Solche Zusammenhänge aufzuzeigen und nachhaltige Zukunftslösungen anzugehen, ist Lukas Kilcher besonders wichtig. Für den vierfachen Familienvater hat daher Bildungsarbeit mit jungen und mit berufstätigen Menschen einen hohen Stellenwert. Aus diesem Grund ist Lukas Kilcher ein gefragter Referent und Dozent an Fachhochschulen und Universitäten. So hat er über viele Jahre die Vorlesung «Agriculture biologique dans les tropiques» an der Agrar-Universität in Paris gehalten. Seit 2020 leitet er an der Universität Bern das Modul «Zukunft nachhaltige Landwirtschaft und Ernährung» im CAS «Nachhaltige Entwicklung». Erholung sucht Lukas Kilcher gerne in der Natur, sei es im Garten oder zum Beispiel beim Wandern mit seiner Familie in den Bergen.